Thomas Redl2022-11-18T20:52:28+00:00
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Redls Arbeit hat mit der vorstellbaren und erlebbaren Zeit zu tun: Lässt sich der Vorgang der kreativen Einverleibung von Gegenwart – die abgelebte individuelle Situation – in einer visuellen Darstellung dieses höchst persönlichen Prozesses verräumlichen und damit in einer Architektonik komplexer Spuren gleichsam objektivieren? Das Material gibt für die Vergegenständlichung von Zeit den Stoff ab.
Redl geht es um Aktualisierung gesellschaftlich fragmentarisierter Erinnerungsspuren, nicht um das Auftauen gefrorener Privatemotionen im Betrachter, sondern um die Vergegenwärtigung der in Raumetappen abgelebten Zeit als der magisch-künstlerischen Inszenierung für die Begegnung mit einer prekär-leidvollen wie auch vielleicht momenthaft glücklichen Vergangenheit. Der Künstler unterwirft sich dem Exerzitium einer ästhetisch-existenziellen Selbstbegegnung, das aber keineswegs zum Passionsweg einer Leidensdramaturgie aktionistischer Opferhaltung ausartet. In diesem Sinne verfährt er unheroisch und verfällt mitnichten der Faszination einer nostalgischen Pathetik; vom ausgekühlten Formalismus einer dekonstruktivistischen Postmoderne hält er sich gleichermaßen in reflektierender Distanz. Nachgerade hat er kritisch-reflektierende Authentizität im Sinn, lässt die Fantasiebewegung des Betrachters frei und erstickt sie nicht im symbolischen Szenario einer immer auch prätentiösen Lebensgeschichte.
So verhält sich der Künstler seinem Publikum gegenüber zwar hermetisch, öffnet sich diesem aber zugleich ohne jene plakative Geheimnistuerei, die einer Kunst anhaftet, die auf Mystifizierung des Lebensgeschichtlichen setzt. Den Anspruch immanenter Stimmigkeit bei der visuellen Umsetzung seiner Idee einer in den Raum geholten Zeit verfolgt Redl durchaus als ein radikales Ideal ästhetischer Vollkommenheit. Warum nicht den Vergleich zur Plastizität der Wortfolgen Paul Valérys anstellen, wie sie Max Raphael in seinem Essay Anmerkungen über den Prosastil von Valéry entwirft: „Inmitten einer Wortfolge, die vibriert von den leisesten seelischen Schwingungen der Zuneigung und der Abneigung, der Verwunderung und der Bewunderung, des Hochmuts und der Ironie, des Vertrauens und der Angst, der Zurückhaltung und des Ausbruchs, der Zärtlichkeit und des Neides und unzähliger anderer Gefühle, stehen Sätze von einer Abgelöstheit und musikalischen Geschlossenheit, dass man das Ideal abstrakter Schönheit zu greifen glaubt. Diese Sätze sind wie ein vollkommener Körper – vollkommen in seinem Sein und in seiner Bewegung.“
Es haftet dieser Kunst etwas Kathartisches an: Wer sich darauf einlässt, wird innerlich vermint. Was als Spuren erinnerter Vergangenheit erscheinen mag, ist andererseits keine bloße Sedimentierung des Gewesenen. Vielmehr entpuppt sich diese Kunst als subversive Strategie, die die in gesellschaftlichen Alltagsverkrustungen eingeschlossenen Bilder gleichsam lossprengt, um eine „a-perspektivische Sicht“ (Jean Gebser) auf die je und je verlustig gehende Gegenwart freizumachen: ein Laboratorium der Erinnerungskunst also, in dem kein moralischer Sinn die verstrichenen Ereignisse musealisiert, sondern jene gegensätzliche Bewegung in Spannung gehalten werden soll, die als Sprungkraft des gelebten Augenblicks in der Kapsel der Erinnerung noch keineswegs zur Ruhe gekommen ist.
Johannes Domsich
Man gelangt zur Frage „Was kann diese rare Kunst?“. Sie befreit den Betrachter von der mühsamen Suche nach dem Gehalt des Kunstwerks gleichermaßen wie von der nach seiner Aura. Es erfüllt eine Funktion. Zur Debatte steht nicht, wie viele Informationen es zu tragen in der Lage ist, wie eloquent es erzählt, sondern wie wenig Widerstand es dem Betrachter dabei entgegensetzt, auf eine höhere Ebene der Selbst- und der Weltbetrachtung zu gelangen. Redls Arbeiten spiegeln nicht, weder den Künstler noch den Betrachter noch deren Kultur. Sie sind im wahrsten Sinn Medium des Nicht-Darstellbaren. Wie man zwischen den Zeilen guter Texte lesen kann, kann man hinter die Folien der Bilder auf das Wesentliche blicken. Sie schaffen Einblicke in die Betrachter und Ausblicke in Zonen, die jenseits der Darstellungs- und Themenkonventionen unserer Kultur liegen. In der Architektur angewandt, werden sie zu Öffnungen, zu Durchgängen, zu intimen Fenstern ins Ich und zugleich in die Welt.
Auszug aus: Johannes Domsich, Korrespondenz des Blickes – Annäherungen an das Werk von Thomas Redl,
THOMAS REDL 1992-2004. INSTALLATIONEN / MALEREI, Ritter Verlag Klagenfurt, 2005
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Die Arbeiten von Thomas Redl verkörpern eine Art psycho-metaphysischen Realismus. Radikal allemal treten sie dem Betrachter als Desillusionisten gegenüber und entpuppen eine subversive Strategie, die die in gesellschaftlichen Alltagsverkrustungen eingeschlossenen Bilder gleichsam lossprengen, um eine „a-perspektivische Sicht“ (Jean Gebser) auf die je und je verlustig gehende Gegenwart freizumachen.
Herbert Lachmayer
Zitate aus: Herbert Lachmayer, Vorbemerkung, ZUM ENDE DES 20. JHDTS, REDL – REISINGER,
Ausstellungskatalog, 1992
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Als „Jetztarchiv“ versucht die Arbeit ein raumzeitliches Kontinuum darzustellen, wo Vergangenes und Zukünftiges in einer Zeitschleife zu einem gegenwärtigen Moment verdichtet werden und der Mensch als Präsenz in der Zeit, als Spur im Sein sichtbar wird. Changierend zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, Fläche und Raum, Sprache und bildlicher Darstellung tauchen „Bilder der Erinnerung“ auf, die, wie aus Archiven des Gedächtnisses entnommen, individuelle wie kollektive Geschichte darstellen.
Thomas Redl
Thomas Redl, in THOMAS REDL – AKTUELLE ARBEITEN, 2006-2011, Broschüre, Eigenverlag