1971-77 Studium an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst, Salzburg
Mehrmalige Auszeichnungen und Preise u.a. des Salzburger Kunstvereins (1975, 1980, 1983), der Sommerakademie Salzburg (1976) und des Landes Salzburg (1985)
2012 am 7. Februar verstorben
1978 „Palette“, Galerie im Traklhaus, Salzburg (E)
1979 Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg
1982 „Tagliamento 81“, Galerie Armstorfer, Salzburg (E)
1985 „Orte der Steine“, Galerie Weihergut, Salzburg (E)
1987 Galerie Kremer, Gelsenkirchen (E)
1988 „Die Moderne in Salzburg“; Museum Carolino Augusteum, Salzburg
1989 „Im Lauf der Zeit“, Tengelmanngalerie, Köln (E)
1994 „Vom Schwinden der Dinge“, Galerie an der Stadtkirche, Bayreuth (E)
1996 „Materialcollagen“, Museum der Moderne Rupertinum, Salzburg (E)
1998 „Dinge sprechen“, Museum Moderner Kunst, Passau
2000 „Zwischen Land und Meer“, Galerie Weihergut, Salzburg (E)
2002 Museum der Stadt Rovinj, Kroatien (E)
2003 „Niemandsland“ (mit Gerald Piffl), Museum der Moderne Kunst, Passau und Galerie Weihergut, Salzburg (E)
2006 „Orte der Verlassenheit“, Galerie im Traklhaus/Studio, Salzburg (E), „Über alle Berge“, Installation, Land Art Hellbrunn, Salzburg
2007 „Positionen der Stille“, Galerie Weihergut, Salzburg
2008 Haus der Kunst, Chur; „Die Dinge, das Leben, die Zeit“, Galerie Weihergut, Salzburg (E)
2009 „Stille Welt“, Städtische Galerie Traunstein, „Notizie del Tempo“, Galeria San Giusto, Triest
2010 „Impressionen – 20 Jahre Museum der Moderne Passau“, Passau; „Die Zeit und die Dinge“, Kunstraum Klosterkirche und Städtische Galerie Traunstein (E)
2011 „Am Ufer der Zeit“, Galerie Weihergut, Salzburg (E); „Martin Rasp – Nebenher“, Heimatmuseum Berchtesgaden, Berchtesgaden (E)
Interview mit Martin Rasp, Berchtesgaden
ST/A/R Zeitung 16, erschienen Dezember 2007
Thomas Redl: Meine erste Frage an dich: Ein wesentlicher Punkt deines künstlerischen Prozesses ist die Arbeitsmethode. Kannst du etwas über deine Methodik erzählen?
Martin Rasp: Also, die Bilder dauern ihre Zeit, und es geht in erster Linie einmal darum, Dinge zu finden, und dann daraus etwas zu machen, wobei das Finden eine eigene Geschichte ist. Wenn man etwas finden will, findet man nichts. Man muss also oder soll absichtslos die Landschaften, die Gegenden durchstreifen, dann findet man natürlich Dinge. Eine Schweizerin die ich in Ischia getroffen habe, hat einmal gesagt: „Ich habe den Eindruck, die Dinge finden mich.“ Und das trifft natürlich auch auf mich zu, weil ich erlebe, dass wenn man zu viel will, eigentlich gar nichts passiert. Das andere wären dann noch die Orte, die ich aufsuche.
T. R.: Du suchst spezielle Orte auf, die für dich, man kann fast sagen, eine bestimmte Aura haben, und dort hältst du dich auf. Das ist ein Teil deines künstlerischen Arbeitsprozesses.
M. R.: Ich suche Orte auf die entleert sind oder wo Zeugnisse von früheren Zeiten spürbar sind, aber auch natürliche Orte wie zum Beispiel den Flusslauf des oberitalienischen Tagliamento oder Strände und Inseln von Dalmatien. Verschwindende Orte sind zum Beispiel Lubenice auf der Insel Cres oder auch Industriebrachen in Großstädten, in Ostberlin etwa, oder Randbezirke von Budapest oder auch ehemalige Arbeitslager auf den Bergen, wie auf der Rudolfshütte. Es interessieren mich nicht die Berge, sondern diese Zeugnisse einer versunkenen Zeit, und jemand hat einmal geschrieben: „Orte der Verlassenheit ziehen Martin Rasp magisch an.“ Ich glaube, das hat er so richtig gesehen. Ich mache das natürlich nicht so bewusst, sondern es zieht mich mit einem inneren Kompass an so einen Ort hin, der mich einfach fasziniert, und dann geht es eigentlich mit dem Suchen los.
T. R.: An diesen Orten findet eine Sichtung statt, und du nimmst von diesen Orten Fundstücke mit, die du dann im
Atelier zu Materialcollagen, zu Objekten zusammenstellst.
M. R.: Ja, und hauptsächlich gehen mir Gegenstände nahe, wo irgendwo Geschichte spürbar ist oder auch das Thema
des Scheiterns oder der Lauf der Zeit drinnen liegt. Also zum Beispiel angeschwemmte Schiffsteile oder einfach Dinge, die die Menschen zurückgelassen haben. Ich habe jetzt in Tagliamento wieder ein großes Tuch mit einer interessanten Aufschrift gefunden. Es sind eigentlich Gegenstände, die vom Lauf der Zeit, ich will nicht sagen, gedemütigt, aber doch verändert worden sind, von der Natur verändert worden sind, vom Regen, von der Sonne, vom Wind, und die dann für mich noch eine ganz eigene Aura haben, also Gegenstände, die eigentlich so zwischen nicht mehr und noch nicht angesiedelt sind. Und diese Dinge bringen mich einfach zum Nachdenken und sind auch der Impuls, indem ich sie beachte und sie dann mitnehme. Natürlich gibt es auch diese Ansicht, dass ein Stein, den
ein Kind aufgreift und mitnimmt und in eine Tasche steckt, auch noch eine Bedeutung bekommt, weil dieses Kind den
Stein in die Tasche gesteckt hat. Das kann man bei meinen Dingen vielleicht nicht ganz so stark sagen, aber indem ich
diese verlorenen und von unserer Gesellschaft nutzlos ausgespiehenen Dinge, die mich eigentlich faszinieren, mitnehme, kriegen sie natürlich zusätzlich eine Bedeutung.
T. R.: Sie werden eigentlich so etwas wie rückgeführt in einen Bedeutungszusammenhang.
M. R.: Ja, dieses Fließen und dieses Vergehende, das halte ich ein bisschen auf, indem ich diesen Gegenständen auf Zeit wieder eine neue Existenz gebe, kann man etwas pathetisch vielleicht sagen. Also, sie sind nicht für ganz verloren, sondern sie leben halt in meinen Arbeiten wieder ein Stück lang weiter. Ich meine, ewig leben sie auch nicht weiter, weil meine Arbeiten natürlich auch nicht ewig sind. Das ist ein riesiger Irrtum, dass man meint die Künstlerinnen oder Künstler leben in ihren Arbeiten weiter. Das ist sicher nicht der Fall, sie verschwinden in Depots und in 30 Jahren spricht über dies oder das kaum jemand mehr. Aber es geht eigentlich um das Tun, das andere ist nebensächlich.
T. R.: Wenn man deine Objekte ansieht, tauchen bestimmte Elemente, bestimmte vergängliche Fundstücke, immer wieder auf. Das Boot, Flugzeuge und ähnliches und das Boot ist natürlich ein sehr, auch mythologisch, belegtes Symbol und Element. Es gibt in der ägyptischen Mythologie, im ägyptischen Totenbuch die Barke, die Barke dient der Seele als Gefährt durch die Unterwelt. Welche Bedeutungen und Bezüglichkeiten hat das Boot für dich?
M. R.: Das Boot hat also mit Sicherheit nicht diese mythologische Bedeutung, die du jetzt geschildert hast, sondern das Boot ist einfach eine Metapher für Aufbruch, für Weite, für Abenteuer, für Freiheit und …
T. R.: Mit dem Boot findet auch immer eine Überfuhr statt.
M. R.: Richtig. Es gibt natürlich auch diesen Wunsch, dass dort drüben am anderen Ufer die Welt besser ist, was natürlich ein Irrtum ist. Es ist also auch diese Sehnsucht, dass man einen Ort verlässt und einen besseren oder interessanteren Ort findet. Aber ich meine, ein Boot beinhaltet natürlich auch die Metapher, dass man am Wasser geborgen ist, relativ geborgen. Man kann mit einem Boot also in gewisser Weise ein anderes Element bewältigen. Natürlich ist ein Boot auch eine Metapher für Scheitern und Schiffbruch usw. Wenn man an die Segelschiffe von früher denkt, die waren am Wasser relativ schnell, aber wenn sie in Strandnähe gekommen sind, dann war es sehr gefährlich, besonders bei Sturm, weil sie dann manövrierunfähig waren. Und natürlich gibt es auch diese Geschichten, die von Schiffbrüchen und Scheitern erzählen. Also es ist für mich ein Symbol der Bewegung und der Weite, aber es kann natürlich auch ein Symbol des Scheiterns sein. Es ja auch diese Philosophie, dass man sagt, ich mische mich nicht ein, wenn das Schiff scheitert, dass man sagt, ich schaue nur zu, ich schaue der Welt zu, wie etwas passiert. Aber eigentlich, denke ich, sollte man nicht Zuschauer sein, sondern sich schon auch in die Welt einmischen. Wenn man nur bedenkt, was aus der Schifffahrt auch in die Sprache eingeflossen ist: „sich an einen Strohhalm klammern“ und, und, und. Also, Schiffe finde ich einfach faszinierend, vielleicht auch weil ich an der Donau aufgewachsen bin. Ich meine, heutzutage in unserer globalisierten Welt spielt das nicht mehr eine so große Rolle, es gibt die Containerschiffe, die auf Kurs eingestellt werden. Vielleicht gibt es noch Segler, die dieses Abenteuer haben. Aber trotzdem ist ein Schiff als Metapher für mich unbedingt immer noch präsent und hat auch nach wie vor eine Bedeutung.
T. R.: Wenn man dein Werk jetzt kunstgeschichtlich betrachtet, kann man sagen, dass die Kunstströmungen aus den 60er und 70er Jahren, also einerseits Arte Povera in Italien und andererseits Bewegungen, die in Deutschland stattgefunden haben, Joseph Beuys zum Beispiel, wesentliche Impulse fürdeine Arbeit waren?
M. R.: Ich meine, aus den 70ern eigentlich mehr, weil ich bin ja erst Anfang der 70er Jahre zur Collage gestoßen, und ich habe dann gemerkt, dass das mein Ding ist. Und man sieht natürlich auch Ausstellungen und Werke, die ähnlich gelagert sind. Man sagt, irgendwo ist das mein Ding auch, was die machen. So ist dann schon ein gewisser Einfluss entstanden, aber eigentlich hilft es einem nicht sehr viel, die Fläche ist nach wie vor leer. Und wenn man bei der Documenta noch einen Beuys erlebt hat, dann hilft das einem selbst eigentlich sehr wenig. Man kann vielleicht Philosophien aufnehmen oder kann diese Grenzüberschreitungen, die er ja doch gemacht hat, zur Kenntnis nehmen, aber eigentlich geht es schon um einem selbst, und wenn man selbst kein Naheverhältnis zu Dingen herstellen kann, dann hilft das ganze Wissen über verschiedene Künstler einfach nichts. Sicher in den 70er Jahren war
die Objektkunst auch sehr wichtig und es hat auch die Kunst der Assemblage gegeben. Das kommt aus früherer Zeit, da könnte man jetzt bei der Collage bei Picasso anfangen, dann könnte man über Schwitters gehen, und Rauschenberg ist wieder von Schwitters beeinflusst, so ist das alles verzahnt, und Beuys hat natürlich auch seine Antennen ausgefahren und hat geschaut, was da läuft. Da gibt es ja sehr verwandte Arbeiten von Tapies zum Beispiel und Beuys und es gibt die Fluxus- und Happeningbewegung dieser Zeit. Sicher komme ich von der Collage her, die ich dann zum Objekt weiter entwickelt habe. Das ist eigentlich mein Ding.
T. R.: Das hast du beibehalten in deinem Werkverlauf der letzten 25, 30 Jahre. Das ist ein Kontinuum, ein wesentliches Element deines Werks – die Collage und das Objekt. Jetzt bewegst du dich in deiner Lebensweise eigentlich nicht in den Zentren, wo die Kunst stattfindet. Siehst du dich selbst als Autodidakt, als Einzelgänger, als Zurückgezogener?
M. R.: Das ist eigentlich nicht das Entscheidende, sondern entscheidend ist, dass man einfach arbeitet. Sicher sind Kontakte nicht schlecht, damit man Rückmeldungen bekommt oder jemand die Arbeit schätzt. Aber eigentlich möchte ich gar nicht in einer Stadt leben, obwohl ich Städte natürlich auch kenne und sie schon bereist habe. Stile, Entwicklungen und Richtungen ändern sich ja ständig, und sicher denkt man einmal, dass das vielleicht noch breiter
angelegt werden soll. Ich fotografiere ja auch oder habe schon Aktionen gemacht, aber das bin halt irgendwie ich, und ich soll irgendwo auch nicht meine Authentizität hergeben, um auf irgendwelche Züge aufzuspringen. Das wäre ein Thema, über das man lange reden kann, wie man eigentlich doch strategisch geplant wird, wie man irgendwo ein breites Betätigungsfeld findet oder wie man Aufmerksamkeit erregt. Ich glaube immer noch daran, dass sich die
Qualität in erster Linie über das Werk definiert. Natürlich sollte man dann schauen, dass Leute, die in dem Metier drinnen sind und die ein gutes Urteil abgeben können, die Arbeiten sehen, da soll man schon Angeln auswerfen.
Wenn man keine Angeln auswirft, ist man total isoliert, und Rückmeldungen braucht man schon. Angeln auswerfen
genügt, ob dann einer anbeißt, das ist ein anderes Thema, aber wenn man keine Angeln auswirft, kann auch nichts anbeißen.
T. R.: Jetzt gibt es für mich noch einen interessanten philosophischen Ansatz. Wir haben unsere menschliche Existenz
zwischen den zwei Feldern cultura und natura, zwischen der Kultur des Menschen und dem zweiten Element, der Natur als archaisches, ursprüngliches Element angesiedelt. Man könnte behaupten, dass du in deiner Arbeit versuchst, die Trennung zwischen diesen zwei Bereichen aufzuheben, dass dich vielleicht eine Sehnsucht treibt, Zivilisation und Natur zusammenzuführen. Kannst du damit etwas anfangen?
M. R.: Ich habe eigentlich keine kopfmäßig gesteuerte Botschaft. Wenn da jemand irgendetwas erkennt, ist es schön.
Ich denke aber, dass ich vielleicht subjektiv gesehen doch ein bisschen aus den Nachklängen der deutschen Romantik
schöpfe, wir haben ja, wie schon gesagt, auch andere Künstler, die in der Richtung weiter arbeiten. Es ist vielleicht
ein bisschen zu hoch gegriffen, aber ich sehe durchaus Verwandtschaft oder Parallelen zwischen einer
Ruinenlandschaft des Kaspar David Friedrich und meinen vom Schicksal gedemütigten Objekten die ich mache
und den Menschen zeige. Also dieser Hinweis auf Vergänglichkeit, da sehe ich schon eine gewisse Parallelität. Und
die Natur, sicher ich lebe in den Bergen und bin am Flachland in Niederbayern an der Donau aufgewachsen, also
da wird man irgendwo schon durch Landschaften und Flüsse, durch Berge geprägt, und die Sehnsucht ist ja natürlich
das Meer, wie sie die Deutschen auch schon früher nach dem Süden gehabt haben.
T. R.: Jetzt suchst du immer wiederdort, wohin du dich hinbegibst, die Einsamkeit und die bewusste Zeit, wo du dich aus dem alltäglichen, sozialen Leben ausklinkst. Ist das ein wichtiger Schritt für deine Arbeit und deine Reflexion?
M. R.: Ja, das ist natürlich schon sehr bedeutend, weil wir ja wissen, dass das Leben auch aus Kontrasten besteht, und es gibt da genügend Beispiele, die will ich gar nicht aufzählen, wo man sagt: Jetzt will ich für mich sein, mich kasteien oder nachdenken, dann bin ich wieder im Getriebe unserer Welt. Also für mich sind diese Orte, wo wenig Menschen sind, einfach auch wichtig, weil man da eher zu sich selber kommt. Man hat keinen Geräuschpegel, man hat keine Einflüsse, man hat nicht auf der Straße 500 Menschen, die an einem vorübereilen, und man sieht die Reklame nicht, und man hat keinen Fernseher, wo man, wenn man will, seine 35 Programme haben kann. Möglichkeiten oder Zeichen unserer Zeit, die sind da einfach weg, es stört, sage ich unter Anführungszeichen, niemand. Man kann sich selbst einbringen und man sieht dann andere Dinge oder wird auf etwas aufmerksam, was man vorher kaum wahrgenommen hat, und das Wahrnehmen ist ja nach wie vor eine entscheidende Sache. Es ist ein riesiger Unterschied, ob ich mit einem Flugzeug über 5000 Kilometer von A nach B, meinetwegen nach Indien, Südostasien oder nach Südafrika, fliege oder ob ich jetzt mit einem Auto von A nach B reise, da erlebe ich natürlich schon mehr, oder ob ich zum Beispiel zu Fuß irgendwohin gehe oder mit dem Fahrrad fahre. Also da sehe ich viel mehr, nehme ich viel mehr wahr als wenn ich in einem Flugzeug von A nach B fliege. Dieses Reisen ist ja jetzt wieder ganz anders geworden. Früher hat man sich vorbereitet auf den Abschied, man hat Abschied genommen, man hat ein Geschenk mitgenommen, man hat es den neuen Leuten gegeben, und man hat nicht gewusst, wie es da wird. Heutzutage beschwert man sich, dass der Wasserhahn im Hotel nicht geht. Man hat nicht gewusst, wie das wird, man
hat sich also wirklich ausgesetzt, man hat denen ein Geschenk zur Beruhigung gegeben. Dann hat man das neu erlebt und war offen für die neue, unbekannte Gegend. Das mache ich halt in kleiner Form noch so, indem ich Orte aufsuche, die quasi nicht in der Wüste Gobi liegen, die in meiner weiteren Umgebung sind, das ist für mich sehr wichtig.
T. R.: Jetzt haben wir ja über den Faktor Zeit gesprochen. Es gibt einen Punkt im Arbeitsprozess, wo man definiert, das ein Objekt fertig ist, das es ein fertiges Kunstwerk ist. Das definiert man einerseits selbst, und andererseits wird das auch durch Galeristen, durch Museumsleute, durch den ganzen Betrieb, der das Kunstwerk dann teilweise auch in sehr abstrakter Form in Preiskategorien festlegt, bestimmt. Jetzt könnte man die Idee entwickeln und sagen: Okay, es ist etwas von einem Rohmaterial zu einem informierten oder belegten Material geworden, also zu einer Sache, die spricht – zu einem Kunstwerk, wenn man will. Man könnte das Ganze aber auch wieder rückführen, indem man definiert, wann wandert ein Objekt vom Museum wieder in die Natur zurück und wird dem Kreislauf des Vergehens wieder einbezogen. Was hältst du von dieser Idee?
M. R.: Das ist eine wunderbare Frage, weil ich das nämlich einmal ausgeführt habe. Ich habe zum Beispiel an der
Mündung des Tagliamento ein altes, kaputtes Schiff gefunden und habe das dann nach Hause gefahren. Dann habe ich öffentlich gesagt, wenn es jetzt von Ausstellung zu Ausstellung transportiert wird – es war eine Ausstellung nur über das Schiff, die Metapher Schiff – dann bringe ich als Abschluss dieses Schiff wieder zurück, fahre wieder hinunter und lege es wieder an den Strand hin, und es weiß niemand, dass es schon in Ausstellungen oder im Museum war. So etwas gefällt mir gut. Und ich habe einmal in Werfen ein Luftschiff aus Schwemmholz von der Salzach gemacht, ich mache ja auch viele Flugmodelle aus diesen Gegenständen, und dieses Luftschiff haben wir innerhalb der Burgmauern in Werfen aufgehängt und da ist es im Wind hin und her geschaukelt. Dann habe ich es einmal in Salzburg ausgestellt, einmal in Wien, und irgendwo wollte es mir ein Flieger dann abkaufen, ich habe aber gesagt: Das gebe ich nicht her. Antizyklisch. Und dann ist es immer weniger und weniger geworden, weil
es nicht so stabil gemacht war, es war aus Schwemmholz. Ich habe dann dieses Schwemmholz genommen, bin nach
Werfen gefahren und habe es dort wieder an den Fluss gelegt. Also solche Zyklen gefallen mir natürlich schon sehr gut.
T. R.: Das ist eigentlich genau der Gedanke, der mir in den Kopf gekommen ist, den du wirklich vollzogen hast. Wir sind heute in einer Zeit, in der wir einen permanenten Hang zur Archivierung und Musealisierung haben, es sind in den letzten 20 Jahren enorm viele Museen gebaut worden, und es ist ein eigenes Verhältnis zwischen Archivierung und Vergänglichkeit entstanden. Gleichzeitig ist auch der Versuch in unserem Leben präsent beim menschlichen Körper die Vergänglichkeit aufzuhalten. Es gibt die kosmetische Industrie und es gibt ständig diese Überlegungen, das Alter zu verzögern. Es wirkt so, als ob wir in unserer Zeit mit dem Faktor Vergänglichkeit und Vergehen gar nicht mehr umgehen können, und daraus resultiert vielleicht auch dieser starke Hang zum Musealisieren
und Archivieren. Und jetzt ist natürlich eine Kunst, die die Vorgänge von Vergehen und Vergänglichkeit stark mit einbezieht, so etwas wie ein Aufzeigen, dass wir trotzdem diesen Zyklen verhaftet sind.
M. R.: Das kann man so sehen, dass das Leben endlich ist, dass das in gewisser Weise dargestellt wird. Ich denke schon, dass wir uns einfach über schöne Dinge im Leben freuen, keine Frage und wunderbar, aber natürlich den Tod, den soll man nicht ausgrenzen. Man muss natürlich schon sagen, dass es richtig ist, wenn sich Dinge weiterentwickeln, und der Medizin verdanken wir sicher viel, zum Beispiel dass wir länger leben. Aber ich meine, deswegen ist der Tod nicht ausgeschaltet. Ich finde es einfach ganz schön dumm, muss ich eigentlich sagen,
wenn man heute sagt: Ich lasse etwas an mir verändern, weil bestimmte Dinge an mir sind ja furchtbar. Da entstehen halt dann diese Einheitsmenschen, die alle gleich lange Haare haben oder alle gleich ausschauen. Also das ist natürlich schon auch ein Zeichen dieser Oberflächlichkeit und dieser quasi optischen Geschichte, die jetzt in unserer europäischen Welt oder auch bei den Amerikanern abläuft, aber wo die Tiefe eigentlich nicht mehr so zum Tragen kommt. Das bemerkt man dann auch oft in Dialogen: Ist das Okay für dich? Ja. Ist das wirklich Okay für dich? Für mich ist das ok, oder so. Es wird eigentlich nicht die ganze Breite besprochen, es ist immer alles nur vom Erfolg abhängig. Nach meiner Ansicht ist Erfolg eigentlich der, wenn man sich mit der Sache, die einen fasziniert intensiv beschäftigt, und wenn man sich mit etwas stark beschäftigt, dann kommt automatisch etwas heraus. Sicher brauche ich dann Leute, die das reflektieren. Wir erleben ja die ganzen Prozesse bei den großen Firmen oder Banken, wo das schnelle Geld einfach alles ist, aber Gott sei Dank gibt es noch viele Menschen, die sagen: Ich möchte einen gewissen Wohlstand, aber Geld ist nicht alles. Ich war neulich wieder in Kroatien unten und habe keine Platte zum Arbeiten gehabt, da bin ich zu irgendeinem Taucher hingeschickt worden, und er mir eine Balsaplatte von einem Schiff gegeben, da wollte ich ihm zwanzig Euro geben, und er hat mich beschämt. Er sagte zu mir: Was ist Geld? Oder wie sie früher gesagt haben, wenn man mit den Leuten gesprochen hat: Ja, im Sommer arbeite ich. Was machst du im Winter? Sagt er: Leben.
T. R.: Es ist eine andere Wahrnehmung von Zeit und Lebenszyklen.
M. R.: Es ist einfach eine andere Herangehensweise. Sicher geht es jetzt ins Politische und das führt natürlich zu weit.
Ich habe ja früher selbst viel politisch gearbeitet. Ich kenne mich bei Bürgerinitiativen aus und ähnlichem. Ich brauche
in meiner Kunst kein Polit-Design über das Elend unserer Welt machen, wo ich nicht weiß, ob das überhaupt eine
Auswirkung hat; wo dann diese Bilder teuer von den wohlhabenden Leuten gekauft werden, und im Grunde genommen geht es den Armen nicht besser, das stelle ich schon sehr in Frage. Da ist es viel gescheiter, wenn man wirklich politisch arbeiten will, sich in allen möglichen Organisationen oder Bürgerinitiativen einzubringen oder was vor Ort zu verändern ist, zu verändern. Ein Video über die Wohnungssituation alter Menschen in Hongkong zu zeigen, was natürlich in das Weltspiegelmagazin und Fernsehen passt, ich weiß nicht, ob das gesellschaftsverändernde Wirkung hat. Ich zweifle das sehr stark an.
T. R.: Es gibt natürlich auch den politischen Chic in der Kunst, wo man behauptet, man setzt sich mit Trendthemen auseinander, und es hilft einem dann sich im Kunstmarkt zu positionieren.
M. R.: Genau richtig.
T. R.: Und andererseits ist der Kunstmarkt, wie viele andere Bereiche des Wirtschafts- und Kapitalmarktes, ein Markt,
der eine sehr starke Eigendynamik entwickelt hat, und es gibt astronomische Preise und es geht vor allem darum,
Geld zu verschieben oder zu vermehren. Das hat alles mit dem Kunstobjekt, mit dem Künstler und mit der ursprünglichen Funktion eines Bildes nichts mehr zu tun und hat keinen Bezug mehr dazu. Es ist an sich schon abstrakt den Wert eines Bildes mit Geld auszudrücken, weil Kunst sich nicht standardisieren lässt und es nicht in das standardisierte Wirtschaftsspiel passt.
M. R.: Das Bildermachen und der Kunstmarkt, das sind für mich nach wie vor zwei ganz verschiedene Sachen. Es war
vor kurzem interessant zu lesen, dass Gerhard Richter ein Interview in der Süddeutschen Zeitung geben wollte, und er es dann wieder untersagt hat. Es ist aufgenommen worden und dann hat er es nicht freigegeben. Der Journalist hat dann über das Interview berichtet, was rechtlich nicht angreifbar ist, und in dem Bericht war zu lesen, dass Gerhard Richter, der ja, wie wir wissen, in der Rankingliste und auch bei den Preisen die Nummer 1 ist, über den ganzen Kunstmarkt riesig geschimpft hat, dass es einfach nicht mehr reell zugeht, wie sich das Ganze als Selbstläufer entwickelt, und er hat dann auch noch über andere Dinge geschimpft. Also sogar ein sehr erfolgreicher Künstler, erfolgreich vom Bekanntheitsgrad, von der Qualität, von den Einnahmen her, der ja froh sein müsste und sich zurücksetzen und irgendwo happy sein könnte, das es bei ihm so gut funktioniert, regt sich also richtig auf.
T. R.: Dieser Kunstbetrieb ist im negativen Sinn sehr abstrakt geworden, aber vielleicht ist wieder eine Sehnsucht zu spüren, wo man eigentlich zu den ursprünglichen Funktionen der Kunst zurück will, wo die Kunst in einem fast rituellen Gebrauch wieder eingebunden ist und im weitesten Sinn eine spirituelle Funktion ausübt. Vielleicht steckt in dieser Unzufriedenheit diese Sehnsucht drinnen.
M. R.: Das kann ich mir durchaus so vorstellen.
T. R.: Und ich glaube, die Problematik besteht auch darin, dass das Rituelle, das Magische, das Spirituelle immer stärker aus unserer Gesellschaft verbannt wurde und dass hier ein Vakuum vorhanden ist, denn es ist doch ein wesentliches Bedürfnis der menschlichen Existenz, magische und spirituelle Bezüge zu haben, die über das Rationale hinausgehen. Man kann auch sagen, schöpferisches und künstlerisches Schaffen hat einen magischen Zug und der führt letztendlich ins Spirituelle und findet dort seine wirkliche Funktion und nicht in der abstrakten Welt der Kapitalflüsse.
M. R.: Na klar, wie wir jetzt die Kunst in 100 Jahren bewerten, das wissen wir nicht, oder wer jetzt sehr geschätzt wird, was mit dem in 50 Jahren ist, wissen wir auch nicht. Ich denke aber doch, dass die Leute, die sich mit der Materie auseinandersetzen, die über Kunst reden, die Kunst vermitteln, die also die Sprache der Bilder erklären, dass die schon erkennen, ob es sich um ein authentisches Werk handelt ist oder ob da jemand irgendwo aufgesprungen ist auf den Zug des Mainstream. Man kann natürlich auch sagen, das man anhand des Werkes spürt, ob es dem oder der Künstlerin ein persönliches und starkes Anliegen war und dann ist auch schnell spürbar, ob etwas authentisch ist. Und ein Thema ist natürlich: Was ist mit diesem Künstler oder mit der Künstlerin in 20, in 30, in 40 Jahren? Springt sie/er dann wieder auf einen neuen Kunstzug auf? Ich denke aber doch, dass man mit zunehmender Lebenszeit und Lebensalter eine gewisse Mitte und ein eigenes Weltbild entwickelt, und an dem gilt es zuarbeiten, um dieses Weltbild sichtbar zu machen.
T. R.: Das ist ein sehr schöner Abschluss. Danke für das Interview.
Die Arbeiten von ihm, lernte ich, anlässlich der Salzburger Festspiele, über meinen ersten Galeristen Michael Karrer / Galerie Weihergut kennen. Die Besuchte ich eigentlich, wegen ihrer Sonderausstellung Christo mit signierte original Drucke und Serienarbeiten. Parallel hatten sie noch eine Ausstellung mit Österreichischen Künstler Martin Raps, Thomas Redl und Rudi Stanzel u.a. Alle drei Künstler faszinierten mich und auf dem ersten Blick. Die Arbeit von Martin Rasp, was eigentlich zwei Arbeiten sind, was mir aber erst bei einen weiteren Besuch bewusst wurde, hat mich besonders auf Grund der vom Künstler verwendeten Materialien interessiert. Zu diesen Zeitpunkt, hatte ich schon die Fabrik Etage für meine Kunst und hatte dort auch Platzt für eine so große Arbeit, um darüber ernsthaft nachzudenken, so eine Arbeit zu erwerbe. Ich lernte bei diesen Besuch auch den Künstler in seinem Atelier kennen und er war damit einverstanden, dass ich die beiden Arbeiten als eine unter dem zusätzlichen Titel Paarung präsentiere.