Rudi Stanzel – Graphiti
„Ich wollte nie Maler werden: I am a painter.“ In Rudi Stanzels Aussage ist die Quintessenz seiner malerischen Haltung deutlich zu erkennen: Farbe nicht im Sinne des Kolorits sondern Farbe als materielle Substanz. Deshalb ergibt sich bei Stanzel eine sehr reduzierte farbliche Spannweite, vertreten durch die „Nichtfarben“ Schwarz, Weiß und Grau, wie in seinen Grafitbildern.
Der Maler im klassischen Sinne setzt die Farbe zugunsten der Mimesis der gesehen Wirklichkeit ein. Tizians malerische Werke etwa führen in eine sfumatohafte Tiefe ein. Aber auch Maler, die sich von Abbildung und Abstrahierung gelöst haben und einen mehr oder weniger selbstreferentiellen Bildstatus vertreten, wie Mark Rothko, schaffen pulsierende optisch illusionistische Farbräume. Farbe dient dem Kolorit, der Tiefe, dem Licht, ist immateriell. Im Englischen differenziert man zwischen color und paint. Mit paint ist die Farbmasse selbst gemeint, als taktile Materie, die noch nicht vom Künstler in den Status der optisch illusionistischen Fiktion transferriert worden ist.
Farbe im Sinne von paint statt color hat jedoch in der Malereigeschichte eine bis zu Rembrandt zurückreichende Tradition, die dann vor allem in den Avantgarden des 20. Jahrhundert einen großen Stellenwert eingenommen hat. Das „Geschmierte“, das „Gekleckste“ – also das Sichtbar-Machen von Farbmaterie – galt bis ins späte 19. Jahrhundert generell als unakademische rohe und unausgereifte Umgangsweise mit der Malerfarbe, die noch eine reine Illusions- und Lichtfunktion hatte. Künstler wie Courbet, Cézanne, van Gogh oder Gerstl führten diese rohe wilde Tradition der pastosen “materiellen“ Farbe als paint fort, wenn auch noch gebunden an den Gegenstand.
Rudi Stanzel findet in seiner analytischen, prozesshaften und minimalistischen Ausrichtung seine kunsthistorischen Wurzeln mehr in der Avantgardemalerei nach dem Zweiten Weltkrieg bei Piero Manzoni oder Robert Ryman. Jenseits von Figuration und Abstraktion haben Ryman und Manzoni die Malerei auf ihr ureigenstes Wesen komprimiert: die Farbe als Materie, der Farbauftrag als Malerei verstanden, der Träger der Malerei und die Installierung im räumlichen Kontext. „Es ist was es ist“. Diese Parameter spielen auch bei Stanzels neuen Arbeiten in der Lukas Feichtner Galerie eine essentielle Rolle.
Stanzels Bilder sind sozusagen „realistische“ Werke. Realismus, nicht im Sinne des Abbildens, sondern im Sinne der Faktizität des Gemäldes als Objekt, als Ding, das sich der fiktiven Fensterfunktion, wie die noch von einem traditionellen Bild, entledigt hat. Dabei spielt Abstraktion oder Figuration keine Rolle mehr. Auch ein abstraktes Bild von Jackson Pollock ist dem fingierten Bildraum verbunden. Eine Gemälde von Ryman oder Stanzel ist versiegelt, es ist reine Oberfläche mit Strukturen.
Seit den späten 1990er Jahren ist vor allem Grafit und Spachtelmasse die primäre „Farbmaterie“ von Stanzels Bildern. Auf eine Gips- oder Holzplatte trägt der Künstler die weiß gräuliche Spachtelmasse auf, die unterschiedliche Strukturen und Spuren im finalen Zustand zeigt. Es sind gezielte Abdrücke der Luftpolsterverpackungsfolie, Kratzer mit dem Ende des Pinselstiels, über die gesamte Bildbreite gezogene Spachtelspuren, die übereinander gereiht eine feine kompositorische Qualität erlangen. Niemals geht es Stanzel um Inhaltlichkeit, Figuration, Abstrahierungsprozesse oder Zeichen- bzw. Schriftsysteme. Seine Bilder sind formalästhetische Werke, die für sich stehen und mit ihrer unmittelbaren Umgebung kommunizieren. Dabei nimmt das Licht eine wesentliche Stellung ein. Nicht aber im Sinne der traditionellen Malerei, in der die Farbe als color luminöse Effekte erzielt. Die Oberfläche des Bildes wird ein Spiegel des Realraumes, die scheinbare Dunkelheit des kalten Grafitgraus wird durch die Lichtrefelxion auf der Oberfläche aufgelöst. Auf die aufgetragene Spachtelmasse mit unterschiedlichen Strukturen und Spuren trägt der Künstler den mit Wasser verdünnten Grafit auf, wodurch das Bild zwischen Verschwärzung, Verdunklung, Verschwinden und schimmernden Glanz changiert.
Florian Steininger, Wien 2004
Anmerkung des Sammlers
Die Arbeit von Rudi Stanzel habe ich in der Galerie Weihergut bei der gleichen Ausstellung, bei ich die Arbeit von Martin Rasp für ,mich entdecke. Auch dies waren eigentlich zwei Arbeiten, die zu unterschiedlichen Zeiten entstanden. Die Stehle 1999 und das Tafelbild 2008. Wie Martin Rasp, gefielen sie mir in der Kombination und wurden dadurch für mich ausdrucksstärker. Der Künstler stimmte dem zu. Bisher kenne ich den Künstler nur per Telefon. Leider hat sich noch nicht die Gelegenheit ergeben, sich persönlich zutreffen.